Der Unglücksrabe
Hier sieht man
Fritz, den muntern Knaben,
Nebst Huckebein, dem jungen Raben.
Und
dieser Fritz, wie alle Knaben,
Will einen Raben gerne
haben.
Schon rutscht er auf dem Ast daher,
Der Vogel, der
mißtraut ihm sehr.
Schlapp! macht der Fritz von seiner
Kappe
Mit Listen eine Vogelklappe.
Beinahe hätt"
er ihn ! - Doch ach !
Der Ast zerbricht mit einem Krach.
In schwarzen
Beeren sitzt der Fritze,
Der schwarze Vogel in der Mütze.
Der Knabe Fritz
ist schwarz betupft ;
Der Rabe ist in Angst und hupft.
Der
schwarze Vogel ist gefangen,
Er bleibt im Unterfutter hangen.
"Jetzt hab
ich dich, Hans Huckebein,
Wie wird sich Tante Lotte freun !"
Die
Tante kommt aus ihrer Tür ;
"Ei!" spricht sie, "welch
ein gutes Tier!"
Kaum ist das
Wort dem Mund entflohn,
Schnapp! - hat er ihren Finger schon.
"Ach!"ruft
sie, "er ist doch nicht gut !
Weil er mir was zuleide tut !!"
Abschnitt 2
Hier lauert in
des Topfes Höhle
Hans Huckebein, die schwarze Seele.
Den Knochen, den
der Spitz gestohlen,
Will dieser jetzt sich wieder holen.
So ziehn mit
Knurren und Gekrächz
Der ein links, der andre rechts.
Schon
denkt der Spitz, daß er gewinnt,
Da zwickt der Rabe ihn von
hint".
O weh! Er springt auf Spitzens Nacken,
Um ihm
die Haare auszuzwacken.
Der Spitz, der ärgert sich
bereits
Und rupft den Raben seinerseits.
Derweil springt
mit dem Schinkenbein
Der Kater in den Topf hinein.
Da
sitzen sie und schaun und schaun.
Dem Kater ist nicht sehr zu
traun.
Der Kater hakt
den Spitz, der schreit,
Der Rabe ist voll Freudigkeit-
Schnell
faßt er, weil der Topf nicht ganz,
Mit schlauer List den
Katerschwanz.
Es rollt der Topf. Es krümmt voll Quale
Des
Katers Schweif sich zur Spirale.
Und Spitz und Kater fliehn im
Lauf.
Der größte Lump bleibt obenauf !!
Abschnitt 3
Nichts Schönres
gab"s für Tante Lotte
Als schwarze Heidelbeerkompotte.
Doch
Huckebein verschleudert nur
Die schöne Gabe der Natur.
Die
Tante naht voll Zorn und Schrecken;
Hans Huckebein verläßt das
Becken.
Und schnell betritt er, angstbeflügelt,
Die
Wäsche, welche frisch gebügelt.
O weh ! Er kommt ins
Tellerbord ;
Die Teller rollen rasselnd fort.
Auch fällt
der Korb, worin die Eier -
Ojemine ! - und sind so teuer !
Patsch! fällt
der Krug. Das gute Bier
Ergießt sich in die Stiefel hier.
Und
auf der Tante linken Fuß
Stürzt sich des Eimers Wasserguß.
Sie
hält die Gabel in der Hand,
Und auch der Fritz kommt
angerannt.
Perdums ! Da liegen sie. - Dem Fritze
Dringt
durch das Ohr die Gabelspitze.
Dies wird des Raben Ende sein -
So denkt man wohl - doch leider nein !
Denn - schnupp ! -
der Tante Nase faßt er ;
Und nochmals triumphiert das Laster !
Abschnitt 4
Jetzt aber naht
sich das Malheur,
Denn dies Getränke ist Likör.
Es duftet
süß. - Hans Huckebein
Taucht seinen Schnabel froh hinein
Und
läßt mit stillvergnügtem Sinnen
Den ersten Schluck
hinunterrinnen.
Nicht übel ! Und er taucht schon wieder
Den
Schnabel in die Tiefe nieder.
Er hebt das Glas
und schlürft den Rest,
Weil er nicht gern was übrig läßt.
Ei,
ei ! Ihm wird so wunderlich,
So leicht und doch absunderlich.
Er
krächzt mit freudigem Getön
Und muß auf einem Beine stehn.
Der
Vogel, welcher sonsten fleucht,
Wird hier zu einem Tier, was
kreucht.
Und Übermut kommt zum Beschluß,
Der alles
ruinieren muß.
Er zerrt voll roher Lust und Tücke
Der
Tante künstliches Gestricke.
Der Tisch ist glatt - der Böse
taumelt -
Das Ende naht - sieh da ! Er baumelt.
"Die
Bosheit war sein Hauptpläsier,
Drum", spricht die Tante,
"hängt er hier!"